SLA-EG Gomringer, Eugen: Archiv Eugen Gomringer, 1899-2020 (Bestand)

Archive plan context


Identification

Call number:SLA-EG
Title:Gomringer, Eugen: Archiv Eugen Gomringer
Creation date(s):between 1899 and 2020
Language:Deutsch
Size (free text description):552 Archivschachteln, 55 Sonderformat-Schachteln, ca. 45 Regalmeter Bibliothek
Size (in metres):170.00
Digital copy:
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Caption:Foto: Yvonne Böhler

Context

History of the collection:Ankauf 2018
Biographical information:Eugen Gomringer kam am 20. Januar 1925 in Cachuela Esperanza, gelegen im tropischen Tiefland Boliviens, als Sohn eines Schweizers und einer Einheimischen zur Welt und wuchs dann bei seinen Grosseltern in Herrliberg am Zürichsee auf. Von 1944 bis 1952 studierte er Nationalökonomie und Kunstgeschichte in Bern und Rom, besuchte zwischenzeitlich die Offiziersschule und war als freier Kulturjournalist für die Tageszeitung "Der Bund" tätig.
Als Student schrieb Gomringer erste Gedichte in romantischer Tradition, vor allem Sonette, ehe er eine neue Inspiration für sich entdeckte: Angeregt von der Kunst der Zürcher Konkreten um Max Bill, Camille Graeser, Verena Loewensberg oder Richard Paul Lohse brachte er seine ersten "Konstellationen" zu Papier und begründete damit die Konkrete Poesie, wie sie für die Nachkriegsmoderne weltweit stilbestimmend werden sollte. 1953 rief er mit den Künstlern Marcel Wyss und Dieter Roth in Bern die Avantgarde-Zeitschrift "Spirale" ins Leben und veröffentlichte noch im gleichen Jahr seine erste, im Rückblick bahnbrechende, Sammlung konkreter Gedichte ("konstellationen constellations constelaciones"). 1954 druckte die Neue Zürcher Zeitung Gomringers weltberühmtes Manifest "vom vers zur konstellation" erstmals ab.
Im gleichen Jahr erkannte Max Bill Gomringers Talent und holte ihn als Sekretär an die Ulmer Hochschule für Gestaltung. Hier vernetzte sich der Schweizer mit gleichgesinnt konkreten Künstlern und Literaten aus aller Welt, darunter Josef Albers, Max Bense, den Dichtern der "Wiener Gruppe" und der brasilianischen "Noigandres". 1958 zog es ihn nach Frauenfeld, wo er Anstellung als "Propagandachef" beim Schleifmittelhersteller SIA fand. Von 1960 bis 1965 gab er im Selbstverlag die Heftreihe "konkrete poesie – poesia concreta" heraus, in der er eigene wie auch Texte u.a. von Carlo Belloli, Ferreira Gullar, Ernst Jandl, Edwin Morgan und Gerhard Rühm publizierte.
Von 1961 bis 1967 leitete der Dichter den Schweizerischen Werkbund, parallel dazu wirkte er an der Organisation der 4. documenta-Ausstellung 1968 in Kassel mit und textete die Werbung der Warenhauskette ABM (Au Bon Marché). 1969 erschien bei Rowohlt der Konstellationen-Band "worte sind schatten", 1972 gab Gomringer in der Universal-Bibliothek des Reclam-Verlags die Anthologie "konkrete poesie" heraus, 1977 folgte gleichenorts die eigene Sammlung "konstellationen, ideogramme, stundenbuch". Von 1967 bis 1985 wirkte er als Kulturbeauftragter des Porzellanriesen Rosenthal AG in Selb im Fichtelgebirge (Oberfranken).
Von Ende der Siebzigerjahre bis Jahrhundertende hielt Gomringer Ästhetik-Professuren an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf und der Westsächsischen Hochschule Zwickau inne. Längst hatte er sich in der Zwischenzeit als hervorragend vernetzter und international gefragter Sammler, Kritiker, Theoretiker und Vermittler bedeutender Konkreter Kunst (u.a. von Josef Albers, Jo Niemeyer, Heinz-Günter Prager und Victor Vasarely) profiliert. Sein umfangreiches Kunstarchiv, das er seit den frühen Siebzigerjahren unterhielt, bildete den Grundstock des 1992 eröffneten Museums für Konkrete Kunst in Ingolstadt. Zur Jahrtausendwende schliesslich gründete er sein eigenes Institut für Konstruktive Kunst und Konkrete Poesie (IKKP) im zur neuen Heimat gewordenen oberfränkischen Rehau, wo er mit seinem Sohn Stefan bis zuletzt Ausstellungen kuratiert und unterschiedlichste Kunstprojekte gefördert hat.
Zwischen 1995 und 2006 erschien in der Wiener Edition Splitter eine vierbändige Gesamtausgabe mit Gomringers sämtlichen Konstellationen, theoretischen Texten und Prosastücken. In den vergangenen beiden Jahrzehnten fand der Konkrete Poet zudem überraschend zur lyrischen Tradition zurück: Eine grosse Passion seines Lebensabends galt dem Verfassen von Sonetten, die er mit Vorliebe Freunden, Bekannten und Künstlerkollegen widmete. Bei der Thurgauer EDITION SIGNAThUR erschienen ab 2008 vier Bändchen dieser Gelegenheitsdichtungen, gefolgt von einer Gesamtausgabe im Jahr 2019 ("welt im sonett. sämtliche sonette").
Für sein Lebenswerk wurden Gomringer zahlreiche Preise zuteil, u.a. der Bayerische Verdienstorden (2008), der Rilke-Preis (2009), der Alice Salomon Poetik Preis (2011), der bolivianische Orden des "Cóndor de los Andes" (2020) und die Auszeichnung "Pro meritis scientiae et litterarum" des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst (2022).
Im Herbst 2017 geriet Gomringers erste Konstellation, "avenidas" (früher "ciudad"), ins Kreuzfeuer einer deutschlandweiten Sexismus-Debatte, die der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) ausgelöst hatte. Das Gedicht hatte seit 2011 die Südfassade der Alice Salomon Hochschule Berlin geziert. Im Januar 2018 beugte sich die Hochschule dem Druck und liess das Gedicht übermalen. Der Entscheid stiess auf viel Kritik. So quittierte ihn beispielsweise der Deutschlandradio-Redaktor Tobias Wenzel mit den Worten: "Die Ignoranz hat gesiegt, die Kunst hat verloren."
Mit der Bernerin Clara (Klara) Stöckli, Marianne Heide und der Germanistin Nortrud Ottenhausen (1941–2020) hatte Gomringer bis 1980 sieben Söhne und die Tochter Nora-Eugenie, die heute als erfolgreiche, mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis (2015) ausgezeichnete Lyrikerin wirkt und dem Internationalen Künstlerhaus Villa Concordia in Bamberg als Direktorin vorsteht.
Acquisition information:Ankauf
Date of Acquisition:2018

Collection structure

Genre of archival collection:Archiv
Description of the archival collection:I. Kernbestand (2018):

Das Archiv von Gomringer, das alle wichtigen Schaffensphasen und Lebensstationen des Poeten dokumentiert, gelangte zwischen 2019 und 2023 im Rahmen dreier Transporte ins SLA (Oktober 2019, Oktober 2020 und Mai 2023). Es umfasst u.a. Gedichts- und vereinzelt auch Prosa-Entwürfe, eine Vielzahl an kunsttheoretischen wie kunstkritischen Aufsätzen und Vorträgen, Tage- und Reisebücher, Fotografien-Sammlungen, Geschäftsunterlagen und Buchhaltung, Dokumentationen zu verschiedenen Künstlern und Künstlerinnen sowie deren Werken, zu Ausstellungen und Buchprojekten, Plakate und vereinzelte Kunstgemälde sowie eine gewaltige Briefsammlung, die rund dreitausend verschiedene Korrespondenzpartner und -partnerinnen umfasst. In Gomringers Archiv finden sich ausserdem die vollständige Dokumentation seiner Einzelpublikationen zur Konkreten Poesie und Konstruktiven Kunst sowie Teile seiner nach Themengebieten geordneten Bibliothek, darunter Abteilungen zu experimenteller Kunst aus der ganzen Welt, Bauhaus, Gedicht-Anthologien, Design-Katalogen, Farbtheorie, Philosophie und viele mehr.

Im Herbst 2024 gelangte noch eine vierte Lieferung ans SLA, die vor allem Beleg-, Hand- und Widmungsexemplare Gomringers umfasst, dazu Korrespondenz aus der jüngsten Vergangenheit, das digitale Archiv von Nortrud Gomringer und anderes. Dieser Teil wird voraussichtlich 2026/2027 erschlossen.

II. Sammlung Segmüller-Seiler (2019):

Zusätzlich zum Kernbestand konnte das SLA 2019 eine umfassende Autografen- und Korrespondenzsammlung aus dem Besitz des Luzerner Germanisten und Antiquars Daniel Segmüller und dessen Frau Ruth Seiler erwerben. In ihr findet sich ein substanzieller Teil von Gomringers frühen Briefwechseln aus den Fünfziger- bis Siebzigerjahren, mit wichtigen Exponenten der Konkreten Kunst und Poesie wie Friedrich Achleitner, Josef Albers, Carlo Belloli, Max Bense, Claus Bremer, Haroldo de Campos, Reinhard Döhl, Heinz Gappmayr, Pierre Garnier, Helmut Heissenbüttel, Ernst Jandl, Leo Leuppi, Kurt Marti, Décio Pignatari, Gerhard Rühm, Timm Ulrichs und Wolf Wezel. Daneben umfasst die Sammlung im Besonderen Textvorlagen zur Bandreihe "zur sache der konkreten", Aufsätze zu Josef Albers sowie Materialien für ein unveröffentlichtes Publikationsprojekt für die Reihe "konkrete poesie – poesia concreta".
Preferred method of citation:Schweizerisches Literaturarchiv (SLA): Archiv Eugen Gomringer
Cataloguing level:detailliert
Finding aid author:Benedikt Tremp, Sara Schindler, Josephina Bierl, Julia Sommer, Martha-Emilia Höschel, Kristel Roder, Margit Gigerl, Asvath Srikumar
Finding aids:HelveticArchives / online

Conditions governing use and acces

Acces restrictions:Konsultation nur im Lesesaal SLA. Einschränkungen vor allem aus urheber- und persönlichkeitsrechtlichen Gründen.

Akteure

Personen_BestandsbildnerIn:Gomringer, Eugen / 1925-
 

Descriptors

Entries:  BestandsbildnerIn (Personen\G\Gomringer, Eugen (1925-))
 

Containers

Number:13
 

Usage

Permission required:Reproduktionsbewilligung
Physical Usability:Eingeschränkt
Accessibility:Öffentlich
 

URL for this unit of description

URL:https://www.helveticarchives.ch/detail.aspx?ID=1345335
 

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